Diesen Sommer möchte ich zum zweiten Mal nach 2015 an dem Treffen der WIMA- Frauen teilnehmen. Die Männer lassen wir Frauen da zu Hause. In diesem Jahr laden die Französinnen in die französischen Alpen ein. Veranstaltungsort ist in der Nähe von GAP und bis dahin kann ich eine super Strecke durch die Seealpen fahren. Dieses Mal fahre ich gemeinsam mit Christiane, einer Freundin vom Dresdner Frauenmotorradstammtisch. Schon im Frühjahr habe ich die Anfahrtsroute geplant und die einzelnen Strecken erarbeitet und die Übernachtungen gebucht. Das Reisegepäck ist verzurrt und es kann losgehen.
Mittwoch, 28.06.2023 Wasser und Brot im Knast
Heute morgen klingelt es um 8 Uhr Sturm. Christiane steht vor der Tür und ich im Schlafanzug in der Küche. Ich habe sie erst um 9 Uhr erwartet. Die Sachen liegen alle parat, das Motorrad ist schon gepackt. Schnell noch einen Kaffee, dann bin ich startklar. Von Dresden bis Oberwiesenthal fahren wir Landstrasse, dann über die Autobahn. Am ersten Fahrtag mit mehr als 300 km soll es nicht so spät werden. Gegen 15 Uhr sind wir in Amberg und checken im Knast(hotel) ein. Die Nacht verbringen wir bei Wasser und Brot.
Donnerstag, 29.06.2023 Exotisches Essen im Schiff Bihlerdorf
Unsere heutige Etappe war mit 320km geplant. Bei Temperaturen von anfangs 23 bis später 30 Grad waren wir dann froh, längere Etappen auf Fernverkehrsstrassen und Autobahnen zurücklegen zu können. So ziemlich zu Beginn der Strecke erwischte mich ein rückwärtiger Geschwindigkeitsmesser in einer 60er Zone mit 77km/h. Und schon war ich um 40€ ärmer. Naja, irgendwann musste es ja mal passieren und immer noch besser, in Deutschland erwischt zu werden, als in der Schweiz, in welche wir morgen fahren. Als Trost gönnte ich mir dann einen leckeren Eiskaffee. Kurz bevor wir zum Cafe von der Autobahn runterfuhren, rauchte und stank es nach verbranntem Gummi. Gerade, als ich auf der Überholspur an dem maledeiten Laster auf dem Standstreifen vorbeifuhr, platzte ein Reifen und ich erschrak mich zu Tode. Nur gut, dass unsere Abfahrt in Sicht kam. Bis Bihlerdorf und später dem exotisches Essen im Schiff Bihlerdorf ging mir die Situation nicht aus dem Kopf.
Freitag, 30.06.2923 Abgehängt am Zürichsee
Ab heute sind wir zu dritt unterwegs. Während wir unsere Motorräder beladen, kommt Elli an. Wir haben uns per Chat verabredet, die restliche Strecke bis GAP gemeinsam zu fahren. Kurz nach Tourbeginn fängt es an zu nieseln. Wir kommen gut voran auf kleinen kurvigen Strassen, nur manchmal müssen wir einer Kuh auf der Strasse ausweichen, schließlich ist das hier ihr Revier. In Rappertswil kommen wir nur schleppend durch die Stadt und queren hier den Zürichsee. Während ich auf die Anderen am Strassenrand warte und ein Foto vom See mache, kommen sie vorbei und ich muss noch das Handy verstauen. Wir kommunizieren über Sena, dass ich gleich nachkomme. Als ich am Ende der Brücke angelangt bin und am Parkplatz vorbeifahre und hoffe, sie würden hier auf mich warten, ist von Christiane und Elli nichts zu sehen. Abzweig für Abzweig und zwei Baustellenampeln hoffe ich weiter, sie müssen ja immer noch vor mir sein und irgendwann ranfahren und warten. Aber sie sind nicht zu sehen. Anrufen können sie mich auch nicht, ich habe keinen Telefontarif in der Schweiz, nur Datenrate. Christiane hat die Tour und kennt das Ziel, spätestens in Entlebuch werden wir uns wieder treffen. Irgendwann flüchte ich vor dem Starkregen in eine Tankstelle zu Latte Macciato. Als ich dann nach fast sechs Stunden vor dem Hotel in Entlebuch ankomme, ist Christiane gerade 10 min. dort. Sie hat sich direkt nach unserer Trennung hinter der Brücke verfahren und war deshalb die ganze Zeit hinter mir. Während ich Kaffeepause gemacht habe, müssen beide an mir vorbeigekommen sein. So spielt das Leben. Ende gut, alles gut. Nun lassen wir uns die Pizza schmecken.
Samstag, 01.07.2023 Wiedersehen nach 4 Jahren
Heute morgen hatten sich die Wolken über Nacht abgeregnet und die Sonne lugte gerade hervor, als wir die Motorräder starteten. Bei trockenem Wetter kamen wir gut voran. Als ich im Jahr 2019 zu Beginn unserer Pyrenäentour im Rocky Pop Hotel in Les Houches übernachtet haben, fand ich es hier so toll, dass ich für unsere Anfahrt zur WIMA wieder eine Übernachtung hier gebucht habe. Nun sitzen wir zu dritt bei Bier und Pizza und lassen die Seele baumeln.
Sonntag, 02.07.2023 Auf der Route des Grandes Alpes
Von Les Houches starten wir gleich in die Serpentinen. Als Aufwärmübung. Die heutige Route entlang der Route des Grandes Alpes hat es in sich. Neun Stunden sind wir unterwegs. Wie schon 2017 trinken wir unseren Cafe oben am Col du Télégraphe. Und das obligatorische Foto am Col du Galibier darf auch nicht fehlen. Kurz nach 18 Uhr checken wir im Parc Hotel in Briançon ein. Bei dem schönen Wetter machen wir uns fertig für einen Rundgang in der Altstadt von Briançon. Unglücklicherweise liege ich nach einen Rückwärtsstolperer im Rinnstein und hole mir blaue Flecken. Ob ich da morgen noch lange auf dem Motorrad sitzen kann? Nach einem wirklich sehr leckeren Abendessen gibt es noch Livemusik zum Ausklang.
Montag, 03.07.2023 Endspurt zur WIMA 2023 in Südfrankreich
Nach dem gestrigen Pässe-Marathon starten wir heute morgen pünktlich 9Uhr. Die verbliebenen 180 km schaffen wir locker bis Mittag. Denken wir. Nachdem wir eine Stunde am Pass beim Col d’Izoard bei Cafe und Kuchen sitzen, ist klar, es wird später. Kurve für Kurve ziehen wir unsere Bahnen, einen schönen Fotostop legen wir am Lac de Serre Ponçon ein, dann erreichen wir über kleinste Bergstrassen 15 Uhr unser Ziel. Wir werden schon von den Französinnen empfangen, ein Vier-Bett-Zimmer wartet auf uns. Am Abend findet dann das Eröffnungsdinner statt, durch die Französinnen organisiert. Leider ist der Geräuschpegel im Veranstaltungszelt ohrenbetäubend. Mit Begrüßungsansprache dauert das 3-Gänge-Menü bis 23 Uhr.
Dienstag, 04.07.2023 Ritt zur Gorges du Verdon
Am heutigen Dienstag organisieren sich die Frauen in Gruppen und unternehmen kleine Motorradtouren, welche von den Französinnen vorbereitet wurden oder relaxen im Camp. Ich habe mich mit meiner Freundin Katharina verabredet, um eine Tour in die Gorges du Verdon, umgangssprachlich auch Grand Canyon du Verdon, zu fahren. Die Gorges du Verdon ist neben der Tara-Schlucht eine der größten Canyons Europas. Weil wir 350 km kurvige Strassen vor uns haben, starten wir schon 9 Uhr. Da weiss ich aber noch nicht, dass wir wirklich erst 18 Uhr im Camp zurück sein werden. Dazwischen liegen 9 Stunden super schöne Kurven, auf Nationalstrassen, auf Singletrackroads, oben in den Bergen, an Schluchten entlang, durch Pinienwälder und an türkisblauen Seen vorbei, aber auch ein Stück Autobahn auf dem Rückweg und vorwiegend bei 30 Grad und satter Sonne. Wir sind in der Provence, da verwundert es nicht, dass uns rechts und links auf unseren Weg die Lavendelfelder begleiten. Irgendwann sind wir am Ende unserer Kräfte und schwenken die letzten 50 Kilometer auf die mautpflichtige Autobahn. Noch schnell ein Bier und Duschen, dann läutet es zum Abendessen.
Donnerstag, 06.07.2023 Die WIMA-Rälly
Heute Vormittag haben sich alle Frauen auf die Rälly vorbereitet. Was für ein Durcheinander. Nach kurzer Einweisung fuhren wir von unserer Unterkunft los, die Geschwindigkeit pendelte sich auf 30kmh ein. Nach nur 20 km fädelten sich alle Motorradfahrerinnen auf dem Parkplatz ein und schlenderten langsam zum Spot für das Gruppenfoto. Danach gab‘s eine kleine Erfrischung und später starteten die Frauen in Gruppen zu persönlichen Touren für den Rest des Tages. Ich war mit Katharina auf kleiner Tour durch das Ecrin-Gebirge. Am Nachmittag waren es 25 Grad und sonnig und wir kamen ziemlich erschöpft zurück. Ein Höhepunkt war am späten Nachmittag die Charity-Veranstaltung der Versteigerung zugunsten der motorradfahrenden Taxifahrerinnen in Tansania. Die Mädels haben 700€ eingesammelt, welch eine Freude. Nach dem Abendessen gibt es noch eine Tombola und den Film als Ankündigung für die WIMA im nächsten Jahr in Rumänien, aber da liege ich schon im Bett und schlafe.
Freitag, 07.07.2923 Tunnelabenteuer im Vercor
Heute morgen wuselten alle 223 Frauen beim Frühstück, Motorrad bepacken und Verabschieden durcheinander. Angesagt war, dass alle um 10 Uhr aus dem Objekt sein sollten. Für Christiane und mich kein Problem, wir sind jeden Morgen pünktlich um 7:30 Uhr beim Frühstück, so auch heute und 9 Uhr starten wir die Motorräder. Elli hat sich uns auf der Rückreise wieder angeschlossen und steht auch schon abfahrbereit am Motorrad. Die heutige Strecke führt uns ins Vercor. Auf unserer Pyrenäentour 2019 hatte ich uns durch das Vercor geführt und weil es mir dort so unheimlich gefallen hat, will ich es auch Christiane und Elli zeigen. Die Landschaft, durch welche wir heute unsere Strecke wählten, war einfach traumhaft. Bei Temperaturen von anfangs 18 Grad bis 32 Grad am Nachmittag kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Die Strecke an der Combe du Laval fuhren wir mehrmals hin und zurück, um ein paar schöne Fotos zu bekommen. Gegen 16 Uhr kamen wir in Rencurel im Tourenfahrerhotel Hôtel de Maronnier an. Die traumhafte Lage im Vercor mit Blick auf die Berge und Pool lässt keine Wünsche offen.
Sonnabend, 08.07.2023 Nach Norden ins Haute-Jura
Das Tourenfahrerhotel in Rencurel (www.hotellemarronnier.com) war wunderbar, hier konnten wir auf der Terrasse frühstücken. Danach trafen wir uns mit Elli an der Tankstelle und fuhren gemeinsam weiter. Immer nach Norden. Durch Wälder, weite Felder, typische kleine französische Dörfer, an Badeseen vorbei und durch verschlafene Kleinstädte. Unsere Strecke war auf kurvig eingestellt und bei 32 Grad in der Mittagszeit brauchten wir 7 Stunden bis Saint-Claude.
Sonntag, 09.07.2023 Die Hitze holt uns ein
Von anfangs 29 Grad am Morgen bis 37 Grad in Basel um 15 Uhr schwitzen wir heute auf unseren Motorrädern. Unsere Route haben wir bei den Temperaturen auf schnelle Strecke geändert. Zum Fotografieren ist es zu heiß, bloß nicht anhalten in der Sonne. So fahren wir mit wenigen Stopps durch bis Fischingen, wo wir heute nach ungefähr 250 km im Landhotel einchecken und unseren Abschied von Elli feiern.
Montag, 10.07.2023 Das Drama mit den Fernverkehrsstrassen
Heute morgen wache ich vom Krachen des Gewitters auf. Es giesst in Strömen, endlich. Dabei kühlt sich die Luft merklich ab, den Vormittag fahren wir bei erträglichen 24 Grad, ehe die Temperatur gegen Nachmittag auf 32 Grad ansteigt. Kurz nach Start leuchtet in meinem Display das gelbe Warnsignal. LAMP. Also defekte Lampe. Habe ich aber schon mal gewechselt und kann mich noch erinnern, was zu tun ist. So ist das Malheur schnell behoben. Insgesamt fährt es sich heute recht zäh, wir haben auf Grund der hohen Temperaturen Landstraßen gewählt. LKW an LKW zieht sich die Schlange, überholen geht schon mal, zeigt aber wenig Vorankommen. Gegen 15 Uhr erreichen wir unsere Unterkunft in Nersingen und bekommen auch gleich ein kühles Bier. Morgen wollen wir deshalb Landstraßen meiden und uns über kleine kurvige Strassen unserem Ziel nähern.
Dienstag, 11.07.2023 Letzte gemeinsame Etappe
Der letzte gemeinsame Fahrtag mit Christiane ist angebrochen. Nach einem kurzen Frühstück schwingen wir uns auf die Motorräder und starten auf die kurvige Strecke, welche ich gestern noch abgeändert habe. Am Vormittag ist es bei Temperaturen unter 30 Grad noch fantastisch zu fahren über die kleinen Landstraßen, kaum LKW zu sehen, die Straßen leer und außerhalb der Ortschaften können wir mit 100km/h dahinbrausen. Zwischendurch habe ich vergessen, dass ihr Motorrad nur 48 PS hat. Wenn ich den Gasgriff drehe, ziehe ich von dannen und Christiane ist nicht mehr zu sehen, kann die Strecken nicht aufholen. Das geht so nicht gut. Zu Recht beschwert sie sich. Danach schaue ich, etwas ausgeglichener zu fahren. Nach einem erfrischenden Eiskaffee unterwegs führt uns die letzte Etappe über die A93 bis Waldsassen. Absatteln, Getränk, Duschen, Ausruhen, Essen suchen. Der ewig gleiche Rythmus. Heute schauen wir aber nochmal in den Ort, das Kloster und Umgebung anschauen. Ein wenig Sightseeing.
Und am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. An dieser Stelle ist nun die Reise zur WIMA nach Südfrankreich beendet. Alle Unterkünfte habe ich im Voraus gebucht, immer nach Streckenabschnitten zwischen 250 bis 300 km. Ich gebe zu, manches mal hätte die Strecke etwas kürzer sein können, besonders an den Tagen, an denen wir durch die Seealpen gefahren sind. Oder wenn die Temperaturen weit über 30 Grad waren. Aber wer weiß denn das immer schon im voraus bei der Planung. In 14 Fahrtagen bin ich insgesamt 3678 km gefahren, durchschnittlich 263 km pro Tag. Mit dem Wetter hatten wir Glück, bis auf drei Tage war es nicht zu heiß und nur einmal hat es geregnet. Kein Unfall und keine Panne und als Dreierteam haben wir uns einfach super verstanden. Christiane und Elli können seit dieser Tour perfekt Serpentinen fahren und es hat mir viel Freude gemacht, zu sehen, wie beide von Tag zu Tag sicherer und ausdauernder wurden. Eine wunderbare Motorradtour, wie ich sie mir wieder wünsche.
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