Alles was man so tut …

1991 Trekking durch Indien und Nepal

28.08.1991 – 23.09.1991

Heute, im April 2023, nehme ich das kleine alte Reisetagebuch von meiner Reise nach Indien und Nepal im Herbst 1991 zur Hand. Ganz versteckt hatte es sich all die Jahre hinten im Bücherregal verborgen und dabei mehrere Umzüge mitgemacht. Kaum kann ich die verschwommene Tinte auf dem groben Papier entziffern, so zerlaufen sind die Buchstaben. Kurzerhand beschliesse ich, die Beschreibungen abzutippen, ehe alles unlesbar ist. Ich muss immer daran denken, wie es war, als wir vor fast 32 Jahren ohne Internet, ohne Telefon, ohne Online-Buchungssystem reisten, nur einen Reiseführer als Buch im Gepäck.

Tag 1, Mittwoch 28.August 1991

Wir sind zu sechst auf die Reise gestartet, Jens, Ines, Gösta, Matthias, Steffen und ich. Die Jungs haben zusammen in Dresden studiert und wir sind alle ungefähr im gleichen Alter, zwischen 26 und 28 Jahren und in der DDR aufgewachsen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sollte es unsere erste grosse Reise in die Ferne sein. Unsere Reisepässe waren gerade ganz frisch und wir brauchten uns nur die Flugtickets besorgen, alles Weitere wollten wir sehen. Als ich das ersten Mal den Stift zur Hand nehme und den ersten Eintrag im Reisetagebuch mache, haben wir den Flug schon hinter uns und sitzen im Flughafen in Kalkutta. Von Frankfurt am Main sind wir ungefähr 9 Stunden geflogen mit 2 Stunden Zwischenstop in Dhaka (Bangladesh). Die Zeitverschiebung von Deutschland nach Indien beträgt 3,5 Stunden, also die Uhren schnell vorgestellt. Als wir dann in Kalkutta aus dem Flieger stiegen, empfing uns die feuchte, tropische Hitze wie ein Schlag. Spontan beschliessen wir, nicht in Kalkutta zu bleiben und so besorgen uns Jens und Gösta Flugtickets nach Hyderabad.

Tag 2, Donnerstag 29. August 1991

Gestern hatten wir Glück. Mit Flugtickets über die Warteliste kamen wir nach zwei Zwischenlandungen gegen 22 Uhr in Hyderabad an. Die erste Taxifahrt ins Stadtzentrum verhieß uns aufregende Erlebnisse für die kommenden Tage. Im Stadtzentrum angekommen, machten wir uns zu Fuß auf die Suche nach einem Hotel. Auf dem Weg dorthin bekamen wir die ersten Eindrücke von der Armut der Menschen hier. Die Bettler legten sich mitten auf der Strasse zum Schlafen nieder. Unser Hotel, gleich in der Nähe vom Bahnhof, war im Komfort und Sauberkeit für hiesige Verhältnisse sehr gut. Wir übernachteten in Hotel Rajmata auf der Mahatma Gandhi Road im Zweierappartement mit Dusche für 200 Rupien je Zimmer, das sind 7 DM pro Person und Nacht. Heute morgen wollen wir uns den „Charminar“, den Torbau mit Minaretten, ansehen. Dieser wurde aus Anlass des Endes der Seuche im 17. Jahrhundert errichtet. Der anschliessende Bummel über Bazarstrassen war laut, hektisch und heiß, einfach chaotisch. Auf Schritt und Tritt folgten uns bettelnde Kinder und Frauen, auch ein paar Behinderte mit Amputationen. Ich nehme mir vor, immer Brot und Süsswaren in der Tasche zu haben, um wenigstens etwas geben zu können. Zuerst sind wir heite Fahrrad-Rikscha gefahren und auch mit der Motor-Rikscha. Sehr rasant und sehr turbulent geht es im Strassenverkehr zu, kreischend, hupend, bremsend erreichen wir das Ziel – ohne Unfall. Am Bahnhof Secundarabad Station versuchen wir, Zugtickets zu bekommen. Fehlanzeige. Vor dem Bahnhof verschlug es mir die Sprache. Am Bahnhofseingang lag ein ausgemergelter Mann aufgebahrt, daneben ein Tuch mit Goldstücken. War er schon tot? Die Fliegen saßen auf seinen Lippen, keine Bewegung war zu sehen. Vielleicht wurde das Geld für die Bestattung gesammelt? Für uns ist es so ungewohnt, aber dort scheint es normal zu sein. Später essen wir im vegetarischen Restauant phantastisch scharf. Nun sind alle dabei, meine selbstgedrehten Zigaretten auszuprobieren.

Tag 3, Freitag 30.August 1991

Heute wollen wir das Fort Golconda besichtigen. Allein die Fahrt mit der Motor-Rikscha dorthin war ein Erlebnis. Unser Fahrer wurde unterwegs zweimal von einer Gruppe von 15 Männern angehalten, welche sehr erregt und drohend wirkten. Mit einer Handbewegung baten sie uns, auszusteigen und hielten auf der Strasse einen Bus in gleicher Richtung an. In diesen stiegen wir dann auch. Auf der Fahrt machten wir uns Gedanken, was jetzt wohl unserem Fahrer passieren würde. Nun ja, wir trafen ihn wieder, wohlbehalten. Am Nachmittag fuhren wir mit dem Expresszug nach Bangalore, das sind 14 Stunden Zugfahrt, gut erträglich im 3.Tier Sleeper. Dabei machten wir die Bekanntschaft eins jungen Inders, der wirklich hervorragend deutsch sprechen konnte, obwohl er noch nie in Deutschland gewesen ist. Die Unterhaltung war sehr interessant. Er erzählte uns viel über die Kasten, Schulbildung, politische Unruhen und natürlich auch über sich. Im Zug war es sowieso die ganze Zeit hektisch, ständig wollte jemand etwas verkaufen, schauten neugierige Augen in unser Abteil, kamen bettelnde Kinder. Auch Musikanten spielten vor uns. Irgendwie habe ich den Eindruck, wir paar Europäer sind gerade die Attraktion in Südindien. Wir sind nicht einen Moment unbeobachtet und immerzu starren uns offene Münder und groß aufgerissene Augen nach. In Hyderabad bekamen wir aber auch die ersten drei Deutschen zu Gesicht und in Bangalore, gerade als wir ankommen, treffen Jens und Gösta zwei Schweizerinnen.

Tag 4, Sonnabend 31.August 1991

Wir fanden ein Hotelzimmer in unserer Preisklasse beim zweiten Anlauf, wieder für 100 bis 130 Rupien, das sind dann meist Doppelzimmer mit Dusche, WC und manchmal Balkon. Wanzen gibt es natürlich überall. Mücken haben wir noch nicht gesehen. Heute haben wir einen ausgedehnten Bummel durch den Botanischen Garten gemacht, danach Sultanspalast und eine Stunde City Market. Im Nachhinein erfuhren wir aus der Zeitung, dass am Tag zuvor in Bangalore Demonstrationen mit gewaltsamen Auseinandersetzungen stattgefunden hatten.

Tag 5, Sonntag 1.September 1991

In Windeseile hatte ich meine Sachen gepackt, unser Zug von Bangalore nach Mysore fuhr schon 7:30Uhr ab. Schon wieder war ich etwas ungeduldig, warum bummeln die Anderen dabei immer, so dass dann die Zeit knapp wird? Diesmal hatten wir keinen 3.Klasse Schlafwagenabteil, sondern normale 2.Klasse. Auf der vierstündigen Zugfahrt konnte ich eine Menge entdecken, herrliche Palmenwälder, riesige Reisfelder, Ochsenkarren, Bauern, niedrige Katen, grasgedeckte Hütten, Berge und kleine Seen. Mysore als Stadt gefiel mir vom ersten Augenblick an. Ich finde es interessant, wie sehr sich das Stadtbild aller drei Städte, die wir bisher gesehen haben, unterscheidet. In Hyderabad überwogen Lärm, Gestank, Zerfall und Elend. Bangalore machte schon einen westlicheren Eindruck, teilweise sehr gepflegt, auch laut, aber nicht so zerfallen. Mysore macht im ersten Moment, vom Bahnhof kommend, einen verschlafenen Eindruck. Aber ich habe hier kaum Bettler auf den Strassen gesehen. Heute, am Sonntag, wird am Abend der Maharadscha-Palast erleuchtet. Es ist wie ein Fest, die ganze Stadt promeniert dann in den Parkanlagen des Palastes, ein unglaubliches Gewühle. Allerdings sieht die Beleuchtung des Palastes schon fast kitschig aus. Wir sitzen gerade im Hotelrestaurant im Freien und geniessen Wein, Cocktails und Whisky bei Kerzenschein, da der Strom ausgefallen ist. In Mysore sind wir im Hotel „Maurya Palace“ abgestiegen, ungefähr 200 Rupien je Doppelzimmer, da Ines körperlich ein bischen schwächelt.

Tag 6, Montag 2.September 1991

Heute Morgen hatte auch Steffen mit Magenbeschwerden zu kämpfen, so dass er nach dem Frühstück noch schnell eine Immodiumkapsel geschluckte. Draussen hupte schon unser Fahrer, den das Tourist-Büro für unsere heutige Tour engagiert hatte. Wir wollen uns das Pilgerzentrum Shravanabelagola anschauen. Zum ersten Tempel brauchten wir 2 Stunden. Als wir dort ankamen, gab es einen Zwischenfall. Die örtliche Polizei hatte eine Bombendrohung von der Terroristengruppe „Tamil Tigers“ begommen, am Nachmittag sollte eine Prozession zum Tempel stattfinden. Mit dreistündiger Verspätung wurde der Tempel wieder zur Besichtigung freigegeben, aber ob die Bombe gefunden wurde, haben wir nicht erfahren. Im weiteren besichtigte ich nur den Tempel auf dem gegenüberliegenden Berg, ein Jainstempel, in dem 22 Wegbereiter dieser Religionsrichtung ca. 600 v.C. gezeigt wurden. Die 17 Meter hohe Gommateshwara-Statue besichtigen nur die Anderen unserer Gruppe, da ich nicht bereit war, meine Videokamera Kamera in der Aufbewahrung abzugeben. Wir haben uns einen weiteren Tempel der Jain-Religion angeschaut, danach noch einen Hindutempel in prächtiger Gartenanlage mit wunderbarer Kulisse im Hintergrund. In den Tempelanlagen durfte leider nicht gefilmt werden, aber es war sowoeso zu dunkel da drinnen. Die Jungs wurden alle vier gesegnet. Alles in allem war es ein sehr anstrengender Ausflug, auch wegen der langen Autofahrt, aber wir haben uns die Zeit mit Singen vertrieben. Das Abendessen haben wir wieder im Parklane-Hotel genommen.

Tag 7, Dienstag 3.September 1991

Endlich mal ein Tag zum Ausschlafen und Bummeln. Gegen 11Uhr schlenderte ich mit Steffen über den Bazar und dort haben wir das hübsche Mädchen aus dem Palast wiedergetroffen. Diesmal habe ich ihr dann doch ein paar Spangen abgekauft und da sie wieder um Schokolade bettelte, hat Steffen ihr dann im Laden Süßigkeiten gekauft und wir haben uns darüber gefreut, wie ihre Augen leuchteten. Gegen Mittag starten wir zur Seidenfabrik und danach zur Sandelwood-Oil Factory. Mich hat überrascht, wie viele Soldaten dort zur Bewachung für nur wenige arbeitende Frauen eingesetzt waren. Die Frauen saßen auf dem schmutzigen Fußboden und arbeiteten 8 Stunden am Tag in ungeheurer Geschwindigkeit, um Schwefelhölzchen mit Sandelholzgerich zu fertigen. Einige Frauen hatten auch ihre kleinen Kinder dabei, welche direkt neben den arbeitenden Frauen saßen. Ein Officer führte uns durch die Fabrik und erklärte auf Englisch. Im Anschluss war ich nochmal im Maharadscha-Palast. Der ist schon sehr prächtig, aber für uns Europäer als Schloss oder Palast durchaus nichts ungewöhnliches. Für die Inder wird der Palast bestimmt sehr aussergewöhnlich sein, da es sonst hier sehr wenig Prachtvolles gibt, die Tempel sind farblich ziehmlich einfach. Wir unterhielten uns mit einem Inder aus einem Reiseunternehmen, der uns erzählte, dass der Palast ab morgen für eine Woche geschlossen wird, da sich Tamilen aus Sri Lanka angekündigt haben. Da hoffen wir nur, dass wir bei aller Unsicherheit auf unseren besonderen Touristenstatus vertrauen können, obwohl der uns wohl trotzdem nichts nutzen wird, falls wir wirklich in Unruhen hineingeraten sollten. Unterwegs haben wir auch einige Mitbringsel erworben, auch einen Sari für mich. Hier in Indien ist alles unvorstellbar billig für uns, ich habe fürs Erste 450 Dollar in 11500 Rupien getauscht, das ist in etwa das Jahresgehalt eines besser gestellten Inders zu Beginn der neunziger Jahre. Einfache Inder haben ein Monatsgehalt von ungefähr 600 Rupien und Bauern 400 Rupien. Mein Sari hat 850 Rupien gekostet. Eine Nacht in unserem Hotel kostet 200 Rupien, mit allem Drum und Dran ungefähr 350-400 Rupien. Und was stand eigentlich bisher so auf unserem Speiseplan? Chicken kabab (Hühnchen-Stückchen in Paprika paniert) oder Butter Naan (gefüllte Fladen mit Kräutern) oder Vegetarian Hyderabadi Nasala (Fischstückchen in Currysoße) oder Chicken Spring Rolls (gebackene Rollen mit Hähnchenfleisch gefüllt).

Tag 8, Mittwoch 4.September 1991

Heute fuhren wir mit gemietetem Fahrer in den nahegelegen Naturschutzpark Bandipur ins Mudumulai Tiger Reserve. Dort hatten wir Touristenbungalows für 50 Rupien gebucht. Mit dem Bus haben wir eine Fahrt durch die tropische Dschungelvegetation unternommen. Ich hoffte, wir bekämen viel zu sehen. Elefanten, Rehe und Pfaue konnten wir erspähen, es war wunderschön. Leider keinen Tiger, dieser sei nur sehr selten zu sehen, wurde uns erklärt. Am Abend saßen wir bei Kerzenschein auf der Veranda in einer idyllischen Umgebung. Junge Inder aus dem nahegelegenen Elefantencamp bereiteten uns ein wahrhaft köstliches Mahl, aber sie waren nicht zu überreden, sich mit an unseren Tisch zu setzen und mit uns zu essen. Wahrscheinlich verbietet es Ihnen ihre gesellschaftliche Stellung, die Einordnung in die Kasten, sich mit Ausländern an einen Tisch zu setzen. Da erinnere ich mich wieder an die interessante Unterhaltung mit dem deutsch-sprechenden Inder im Zug von Hyderabad nach Bangalore. Er erklärte uns auch, wie stark und streng die Einordnung in die Kasten im gesellschaftlichen System in Indien verankert ist. Es darf nur innerhalb einer der gleichen Kaste geheiratet werden. Die Frau bringt eine Mitgift in die Ehe, welche dann dem Mann gehört und welche die Frau im Falle einer Scheidung nicht wiederbekommt. Inder einer Kaste setzen sich nicht zu Indern einer köheren Kaste an den Tisch. Ausländer werden in Indien den höheren Kasten gleichgestellt. Sich darüber hinwegzusetzen, bringt keinen Erfolg. Wir haben anfangs versucht, mit einem zwanglosen freundschaftlichen Gespräch die gesellschaftliche Barriere zu überwinden. Es ist nicht möglich. Die Inder sind sehr höflich und hilfsbereit, sie sind auch ausgesprochen neugierig und kontaktfreudig, aber dann gewahren sie den vorgeschriebenen Abstand. Ebenso unser Fahrer. Beim Essen setzte er sich an den Nebentisch und geschlafen hat er im Auto, obwohl vorher ausgemacht war, dass wir die Unterkunft für ihn mit bezahlen würden.

Tag 9, Donnerstag 5.September 1991

Am Morgen sind wir sehr früh in den Nationalpark aufgebrochen, um auf den Elefanten zu reiten. Das war wirklich ein tolles Erlebnis. Zwei indische Elefanten mit Führer und einem Gestell auf dem Rücken, auf welchem jeweils 4 Personen Platz hatten. Dann ging es eine Stunde querwaldein durch den Dschungel. Das war ein ganz schönes Geschaukele. Schade, dass ich nicht filmen konnte, aber die Filmerlaubnis für Video belief sich auf 500 Rupien, umgerechnet 35 DM, zu viel für unser Budget. Hinterher konnten wir im Theppakadu Elephant Camp bei der Fütterung der Elefanten zusehen. Ein fantastisches Bild, genau nach Plan wurde allen 15 Elefanten die Mahlzeit zurechtgemacht und in den Rachen geschoben. An diesem Tag fuhren wir weiter nach Ooty. Das Hotel Lakeview mit Blick auf eine wunderschöne Landschaft lag ca. 2300 Meter hoch und es wurde ziemlich kühl. Ooty, eigentlich Ootacamund, ist ein Bergkurort in den Nilgiri-Bergen, ca. 160km südlich von Mysore im Bundesstaat Tamil Nadu.

Tag 10, Freitag 6.September 1991

Heute waren wir den ganzen Tag unterwegs. Von Ooty fuhren wir mit der Kleinbahn nach Coonoor, von dort wieder mit dem Auto nach Coimbatore, dann Zugfahrt bis in die Nacht nach Alleppey. Alleppey (heute Alappuzha, Kerala, Indien) ist kein Ort besonderer Attraktion, aber er ist Ausgangspunkt unserer Backwater-Tour, welche wir übermorgen geplant haben.

Tag 11, Sonnabend 7.September 1991

Von Ooty fuhren wir mit der Kleinbahn nach Coonoor, von dort wieder mit dem Auto nach Coimbatore, dann Zugfahrt bis in die Nacht nach Alleppey. Alleppey (heute Alappuzha, Kerala, Indien) ist kein Ort besonderer Attraktion, aber er ist Ausgangspunkt unserer Backwater-Tour, welche wir übermorgengeplant haben. Heute ist Ruhetag. Jens, Ines und Gösta sind nach Cochin gefahren, um sich heute Abend eine indische Tanzvorstellung anzusehen. Matthias macht kühle Umschläge auf sein Bein, Steffen kuriert seine Magenschmerzen aus und ich sitze im Hotel „Prince“ am Swimmingpool und lese.

Tag 12, Sonntag 8.September 1991

Heute waren wir in Cochin und haben uns eine Vorstellung von Khatakali-Tänzen angesehen. Mit dem Bus um 10:30Uhr bin ich allein allein rübergefahren, da es Steffen inzwischen mit seinem Durchfall so schlecht ging, dass er den ganzen Tag im Bett bleiben wollte. Auch Matthias wollte den Tag noch nutzen, um seinem Bein etwas Ruhe zu gönnen. Verabredet hatten wir uns um 13 Uhr St. Francis Church, Grabstein vom ehemaligen Grab Vasco da Gamas im Kirchenfußboden. Doch als ich mit der Fähre auf die Insel fahren wollte und nach Tickets anstand, liefen mir Gösta, Jens und Ines geradewegs in die Arme. Wir schauten uns noch das Judenviertel an, gingen Einkaufen, ins Restaurant Krabben mit Pilzen essen und fuhren dann mit der Fähre zurück. Am Abend schauten wir uns Kathakali-Tänzer auf der Dachterrasse eines Privathauses an. Besonders faszinierend war es, zuzuschauen, wie die Tänzer sich schminken. Und die Kostüme. Überwältigend. Ein ganz normaler Mann verwandelt sich in einen Prinzen oder in den Gott Shiva. Gold, Glitzer und Trommeln begleitenden Tanz. Die ausschließlich männlichen Tänzer benötigen 10 Jahre, um den Khatakali-Tanz in allen seinen Einzelheiten zu lernen. Die Tänzer stellen mit den Tanzbewegungen, z.B. der Stellung der Hände, eine Geschichte dar. Zum Beispiel diese: Ein Prinz geht in den Wald, um einen Pfeil zu suchen, welcher immer trifft. Er galt bisher als unbesiegbar. Im Wald trifft er auf den als Jäger verkleideten Gott Shiva. Beide kämpfen und der Prinz verliert. Da gibt sich der Gott Shiva zu erkennen und der Prinz leistet Abbitte. Zum Dank schenkt ihm Shiva, der das gute Herz des Prinzen erkennt, den gesuchten Pfeil. Beide tanzen zum Schluss gemeinsam.

Tag 13, Montag 9.September 1991

Backwater-Tour nach Quilon. Um 10 Uhr ging es los, wir waren 9 Touristen auf dem Ausflugsboot, sehr gemütlich. Backwater bezeichnet hier einen parallel zum Indischen Ozean verlaufenden Kanal, der den vorderen, zum Indischen Ozean gewandten Teil des Festlandes vom eigentlichen Festland abteilt. In den Backwaters gibt es so gut wie keine Strömung, deshalb ging die Landschaft nach und nach in Dschungelwald über – ein überwältigender Anblick. Die Tour dauerte 9 Stunden, im Dunkeln erreichten wir Quilon und konnten so noch den Sonnenuntergang erleben. In der Dämmerung senkten alle Fischer ihre Netze, wobei sie versuchten, die Fische durch Licht anzulocken. Die Fischernetze werden hier auch als chinesische Fischernetze bezeichnet und werden in Indien hauptsächlich in der Gegend der Städte Kochi und Kollam verwendet. Nach weiteren 2 Stunden Busfahrt erreichten wir Trivandrum. Von hier geht morgen um 14 Uhr unser Flug nach Delhi. Der Flug kostet 165 US$. Auf Grund neuer Gesetze sind die Flüge nicht in Rupien zu bezahlen, sondern in Dollar. Wir kommen langsam in Zeitnot.

Abbildung: Unsere Route durch Südindien (Hyderabad (Telangana) – Bangalore (Karnataka ) – Shravanabelagola (Karnataka) – Mysore – Mudumalai Tiger Reserve – Theppakadu Elephant Camp – Ooty – Coonoor (Tamil Nadu ) – Coimbatore – Alleppey (Kerala) – Cochin – Quilon – Trivandrum)

Tag 14, Dienstag 10.September 1991

Heute ging unser Flug von Trivandrum über Bombay nach Delhi. Ich habe festgestellt, dass Delhi ein wesentlich teureres Pflaster ist als Südindien. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen traurig, als wir Südindien verlassen haben, möglicherweise, weil wir die ländliche Idylle verlassen haben und in die Großstadt eintauchen.

Tag 15, Mittwoch 11.September 1991

Der Vormittag war heute mit Organisieren ausgefüllt. Einerseits mussten Jens und Ines das Permit für Nepal besorgen und Dollar-Reisechecks tauschen und andererseits mussten wir vier Anderen zum Reisebüro, welches ziemlich außerhalb der Stadt lag, um unsere Rückflüge bestätigen zu lassen, die Sightseeing-Tour zu organisieren und unseren Ausflug nach Agra zu erkunden. Wieder mal klappe alles vorzüglich und so konnten wir am Nachmittag gleich die Flugtickets nach Darjeeling (Bagdogra) für Sonnabend früh kaufen. Den Rest des Abends bummelten wir über den Palicka-Bazar, der sich unterirdisch unter dem zentralen Platz der Stadt befindet. Und wieder liefen uns die Kinder in Scharen nach, um uns nur irgendetwas zu verkaufen. Da wir uns vorgenommen hatten, ihnen beim Umsatz zu helfen und hatte ich auf einmal klappernde Luftballons in den Händen. Diese schenkte ich kurze Zeit später einem kleinen Bettlermädchen, welches sich unbändig freute. Und wieder einmal verwundert es mich, warum die Obdachlosen sich einfach auf die Straße zum Schlafen legen, anstatt sich einen grünen Flecken im Park zu suchen, von denen es ja genug gibt.

Tag 16, Donnerstag 12.September 1991

Sightseeing. Gegen 8 Uhr holte uns der Minibus des Reiseunternehmens vom Hotel ab und los ging’s. Zuerst besichtigten wir das Red Fort. Es wurde 1639 bis 1648 vom Mogulkaiser Shah Jahan als Zitadelle aus rotem Sandstein erbaut. Danach schauten wir uns das Mahatma Gandhi Mausoleum an. Im Anschluss besichtigten wir Qutb Minar. Der 73 Meter hohe Siegesturm gilt als eines der Wahrzeichen Delhis. Am Fuße des Turms befinden sich Ruinen der frühesten Moschee auf indischem Boden. Im Inneren der Moschee in der Mitte erhebt sich eine 7 Meter hohe eiserne Säule, welche vor rund 1500 Jahren gegossen wurde und fast keinen Rost angesetzt hat. Die Stadtrundfahrt wurde für uns in einen recht modernen Bus veranstaltet, in welchem wir zu sechst allein waren. Natürlich lud uns der Fahrer zwischendurch bei einem Juwelier ab, er wollte eben auch seine Provision haben. Aber dieses Verhalten ist uns schon öfter begegnet und soll es auch zukünftig noch tun. Am Abend landeten wir dann wieder auf dem Palicka-Bazar und hatten danach ein tolles Schumacher und Schuhputz-Erlebnis. Den heutigen Tagesabschluss bildete ein chinesisches Essen.

Tag 17, Freitag 13.September 1991

Heute wollen wir nach Agra. Dazu wechseln wir den Bundesstaat. In Südindien sind wir durch die Bundesstaaten Telanganga, Andra Pradesh, Karnataka und Kerala gereist. Delhi liegt im eigenen Territorium und Agra liegt ca. 200 km südlich von Delhi im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Dort befindet sich das bekannte Taj Mahal, ein Mausoleum, den Großmogul Shah Jahan für seine 1631 im Kindbett gestorbene Frau Mumtaz Mahal erbauen ließ. Ein Minitaxi holte uns vom Hotel zum Bahnhof ab. An der Gepäckaufbewahrung mussten wir das erste Chaos meistern, wir haben unsere großen Trekkingrucksäcke dort aufgegeben, weil wir danach gleich weiter nach Darjeeling wollen. Wir fuhren ungefähr 2 Stunden mit dem Zug nach Agra und kaum waren wir am Bahnhof angekommen, warteten auch schon die Schlepper auf Beute. Das Taj Mahal ist ein Erlebnis. Das größte Monument der Liebe. Wir haben fast den ganzen Tag dort verbracht.

April 2023:

Leider habe ich in meinem Tagebuch keine weiteren Einträge zu diesem Tag, der vollkommen außer Kontrolle geriet. Deshalb kann ich hier nur meine Erinnerungen und die Erinnerungen an die Erzählungen meiner Mitreisenden nach nun fast 32 Jahren niederschreiben. Als wir nach Ankunft am Bahnhof in Agra den Zug verließen, teilten wir uns auf und verabredeten uns zum Zeitpunkt der Rückfahrt nach Delhi. Im Ohr habe ich noch 15 Uhr. Aber ich muss mich verhört haben. Im Nachhinein meinten alle anderen, es wurde 5 Uhr gesagt. Ich zog allein über das Gelände und war dann pünktlich, wie ich meinte, wieder am Bahnhof. Der Zug um 15 Uhr stand schon bereit, aber die Anderen waren noch nicht da. Ich wartete ungeduldig und überlegte, ob wir vielleicht 14 Uhr verabredet waren? Aber was sollte ich machen? Telefon hatten wir nicht und weit und breit war niemand der Anderen zu sehen. Also stieg ich in den Zug und meinte, wir würden uns dann schon in Delhi wieder treffen. Ich traute den Anderen zu, dass Sie einen Zug vorher genommen hatten. Gegen 17 Uhr war ich in Delhi zurück und hoffte, die Anderen an der Gepäckaufbewahrung wiederzusehen. Aber weit gefehlt. Niemand war zu sehen. Also wartete ich einfach weiter, sie mussten ja kommen, denn das Gepäck war noch nicht abgeholt. Gegen 19 Uhr kam dann Ines mit dem Zug, allein. Die Jungs hatten mich um 17 Uhr am Bahnhof in Agra vermisst und die Polizei vor Ort alarmiert. Eine große Suche setzte ein. Die Polizisten meinten, eine Touristin mit Videokamera könnte auch mal einfach ausgeraubt werden und am Straßenrand zurückbleiben. Langsam wurde es dunkel. Der letzte Zug von Agra nach Delhi war längst abgefahren, als der Bahnhofsvorsteher von Delhi aus nach Agra telefonierte und die Situation aufklärte. Zumindest konnte die Suche, inzwischen mit Taschenlampen in der Nacht, abgeblasen werden. Aber nun standen wir vor einem großen Problem. Wie sollten die Jungs von Agra in der Nacht zum Flughafen nach Delhi kommen, wo unser Flieger nach Darjeeling startet? Sie erzählten mir im Nachhinein, dass sie sich einen Fahrer nahmen, der sie durch mehrere Straßensperren schleuste, indem sie die Patrouillen an den Sperren mit Wertgegenständen und Geld bestachen. Ines und ich hatten unser Gepäck, alle 6 Treckingrucksäcke, von der Gepäckaufbewahrung in Delhi (welcher Bahnhof das war, weiß ich nicht mehr) abgeholt und sind mit dem Taxi zum Flughafen gefahren. In meiner Erinnerung war es ein kleiner lokaler Flughafen. Deshalb war es auch möglich, mit den Angestellten dort zu sprechen und sie zu bitten, mit dem Check-In noch etwas zu warten, bis die Jungs gegen Mitternacht am Flughafen ankommen. Die Flughafenangestellten bekamen immer mal eine Information von den Checkpoints, an denen die Jungs gerade durchgefahren waren, wo sie sind und wann sie voraussichtlich ankommen würden. Es könnte klappen. Letztendlich kamen sie 10 Minuten vor Abflug am Flughafen an, rannten zum Check-In und konnten auch gleich einsteigen. Das Gepäck hatten wir ja bereits mit aufgegeben, keine 10 Minuten später startete die kleine Maschine nach Darjeeling. Ich denke, wir starteten gegen 1 Uhr in der Nacht und kamen 2 Stunden später dort an.

Tag 18, Sonnabend 14.September 1991

Von Darjeeling aus wollen wir weiter nach Kathmandu. Am Abend geht es los.

Tag 19, Sonntag 15.September 1991

Die Nachtfahrt mit dem Bus war verheerend, katastrophal. Vor den Busfenstern draußen tobte der Monsun, das Wasser lief rein. Der Bus war absolut schmutzig und ungemütlich. Von den Schlaglöchern auf der Straße machten wir uns keine Vorstellung, es müssen riesige gähnende Löcher gewesen sein, so dass der Bus wie über Wellen schaukelte. Ich konnte die Hand vor Augen nicht sehen und es ist mir ein Rätsel, wie der Fahrer den Weg meisterte. Gegen 6 Uhr morgens kamen wir in der Zwischenstation auf halber Strecke zwischen Darjeeling und Kathmandu an. Hier mussten wir in einen anderen Bus umsteigen und nach wiederholter Diskussion um Plätze und Gepäck ging es endlich weiter nach Kathmandu. Nicht lange nach Abfahrt war aber schon der erste Stopp. Die Straße nach Kathmandu ist momentan so schwierig zu befahren, dass für unseren Bus erst ein souveräner Fahrer gesucht werden muss. So sitzen wir also seit 4 Stunden in diesem gottverlassenen Nest und warten auf die weiteren Dinge. Währenddessen ist der Bus in einen reißenden Fluss gefahren, um vom Schlamm befreit zu werden. Mit Ines ihrem Bein sieht es schlimm aus. Eine nepalesische Ärztin sagte, es wäre ein Insektenstich. Auf jeden Fall soll es sich in Kathmandu jemand ansehen. Um 15 Uhr ging es dann wirklich noch los. Eine verheerende Fahrt von ca. 11 Stunden bis Kathmandu. Es regnete immer noch in Strömen den Monsun ab. Wir waren so hoch im Gebirge, dass vorwiegend nur Nebel um uns herum war. Die Straße war absolut holprig, immerzu wurden wir im Bus nur so herumgeschüttelt. An manchen Stellen fuhr der Busfahrer ziemlich gewagt, ich hoffte insgeheim, dass er auf dieser Strecke geübt wäre. Noch schlimmer wurde es mit meiner Angst nachts, als es dunkel wurde und man die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte. Da hätte mir nur Schlaf geholfen, aber wie konnte ich denn schlafen, wenn mir mein Po schon vom vielen Sitzen im Bus brannte. Ich wusste nicht mehr, wie ich mich noch aufrecht hinsetzen sollte. Aber Schlafen ging einfach nicht. Also stelle ich mir einfach vor, ich würde nicht existieren, um die verbleibende Nacht der Busfahrt irgendwie rumzubringen. Dann endlich kamen wir morgens um 2 Uhr in Kathmandu an. Nur schade, dass wir im Dunkeln nichts vom Gebirge sehen konnten. Wieder ein Schlepper. Ein passables Hotel.

Tag 20, Montag 16.September 1991

Ausschlafen bis zum Mittag. Nach dem späten Frühstück haben wir uns wieder ans Organisieren gemacht. Für morgen haben wir eine Fahrradtour durch Kathmandu geplant, die schönsten Sehenswürdigkeiten anschauen. Am Mittwoch und Donnerstag wollen wir auf Wild Water Rafting Tour gehen, am Freitag und Sonnabend eine kleinere Trekkingtour in die näheren Berge. Der Sonntag ist noch nicht verplant und am Montag wird das letzte Geld ausgegeben, bis unser Flug um 18 Uhr von Kathmandu nach Dhaka geht. Gösta und Matthias hatten heute noch einmal die Flüge rückbestätigen lassen, dabei stellte sich heraus, dass der Flugplan geändert wurde. Heute Abend sitzen wir in einer Pizzeria, sehr gemütlich mit schöner Musik im Hintergrund. Wir sind trotz der gestrigen Nachtfahrt gut drauf und freuen uns auf einen Whiskey zum Tagesabschluss.

Tag 21, Dienstag 17.September 1991

Vielleicht war das mit der Pizza doch keine so gute Idee, der Durchfall meldete sich noch am gleichen Abend. Auch am heutigen Tag geht es mir nicht sehr gut. Heute wollen wir eine Fahrradtour unternehmen, leider kann Ines wegen ihres entzündeten Fußes nicht mit. Die Fahrradtour fand ich ziemlich anstrengend, als wir aus Kathmandu herauskamen, ging die Strecke vorwiegend bergauf. Nach dem ersten größeren Anstieg fühlte ich mich einem Kreislaufkollaps nahe und so überredete ich die Jungen, mich umkehren zu lassen. Gottseidank taten sie es auch, ohne dass mich jemand der anderen begleitete, ich habe mich gut durch die Stadt zurückgefunden. Übrigens ist ein Bummel durch den Stadtteil Thamel in Kathmandu sehr gemütlich. Viele kleine Gässchen mit Bazaren, Händlern, Kunst- und Schmuckläden verführen zum Kaufen. Aber heute Nachmittag haben wir erstmal nur geschaut, gekauft wir am Sonntag.

Tag 22, Mittwoch 18.September 1991

Heute Morgen holte uns ein Guide vom Nepal View Hotel ab. Im Touristenbus fuhren wir in Richtung Porkhara. Nicht bis ganz dorthin, auf halber Strecke wollen wir WHITE WATER RAFTING machen. Das sieht so aus, dass man mit einem großen, mit ca. 9 bis 11 Personen besetzten Schlauchboot über einen reißenden, genügend breiten Gebirgsfluss der Wildwasserstufe treibt, rudert oder sich über die Schaumkämme der Wellen vorankämpft. Aber erst einmal legte er liebe Herrgott uns ein anderes Hindernis in den Weg. Nämlich in Form eines Erdrutsches, welcher, wahrscheinlich in der vorhergehenden Nacht, die Straße für alle Fahrzeuge unpassierbar machte. Also mussten wir alle raus aus dem Bus, über die Erdmassen auf die andere Seite klettern und dort auf einen anderen Bus warten. Der kam dann auch nach ungefähr 2 Stunden. Wie ja schon erwähnt, Zeit haben hier alle viel. Jedenfalls kamen wir gegen 14:30 Uhr endlich am Trishuli River White Water Rafting Starting Point an. Aber ehe wir noch am selben Tag starten konnten, musste erst mal gegessen werden, was uns von den Einheimischen zubereitet wurde. Und es hat super lecker geschmeckt. Als wir danach runter an den Strand gingen und ich die Stromschnellen sah, wurde mir doch einen kurzen Augenblick mulmig zumute. Bisher dachte ich doch immer, dass Wildwasserpaddeln nur was für Profis sei und konnte gar nicht so recht glauben, dass uns Touristen dieses waghalsige Abenteuer in einer organisierten Tour angeboten wird. Am Anfang bekamen wir die wenigen einfachen Kommandos erklärt, dann hieß es Abstoßen und rein in die Fluten. Ich krampfe mich mit den Beinen ganz schön am Boot fest, als wir uns der ersten größeren Welle entgegenwerfen. Nach einigen Minuten merke ich, dass ich für Boot und Wellen ein gutes Gefühl habe und werde sicherer. Jetzt machte es riesigen Spaß und bei jeder größeren Welle juchzte ich voller Freude. Das ganze Abenteuer dauerte bis zum Sonnenuntergang, ungefähr 3 Stunden. Dann landen wir an und es gibt erst mal Tee. Endlich kommen unsere trockenen Kleider an, die über den Landweg transportiert wurden. Wir ziehen uns in der Hütte um, welche uns zum Schlafen bereitgestellt wurde. Nun gab es erstmal Abendessen und später saßen wir noch ein paar Stunden bei den einheimischen Nepalesen vor er Hütte und schwatzten. Der Himmel ist klar und der Mond lächelt uns zu uns zu, als wir uns endlich zum Schlafen niederlegen.

Tag 23, Donnerstag 19.September 1991

Heute bin ich schon vor den Anderen aufgestanden, es muss so gegen 5:30 Uhr gewesen sein und die Morgendämmerung zog gerade herauf. Unten am Fluss hatte ich einen ganz tollen Blick auf die Berge, die teilweise noch in Nebel gehüllt waren. Es war ein phantastischer Anblick, als die Sonne langsam hinter den Bergen aufging. Wieder wurde uns von den Einheimischen ein wunderbares Frühstück zubereitet, aber leider litt ich immer noch unter Appetitlosigkeit. Die Schwimmwesten angelegt und ab ins Schlauchboot, dann ging es weiter den Fluss hinunter. Es war eine lustige Bootsfahrt, zwischendurch sprangen wir alle mal ins Wasser zum Baden. Dann kamen wir an die Stelle, an der es Krokodile geben sollte, aber wir konnten unsere Augen noch so sehr anstrengen, wir bekamen keines dieser Reptilien zu Gesicht. Am Ziel blieb bloß noch, Boot ausladen, Mittagessen und dann rauf zum Bus und zurück in Richtung Kathmandu. Die Busfahrt von etwa 9 Stunden war interessant. Da der Bus voll war, mussten wir mit unserem Gepäck zusammen auf’s Dach zu den restlichen Gepäckstücken der anderen Mitreisenden. Bei der Hitze bedeutete das einen angenehmen Luftzug und gleichzeitig einen hervorragenden Ausblick. Nur Anhalten durfte der Bus nicht für längere Zeit, da liefen wir Gefahr, einen Sonnenstich zu bekommen. Bei jedem längeren Halt hieß es nun, runter vom Dach, an einen Wasserhahn stürzen, Cola kaufen und wieder rauf auf’s Dach. Gegen 9 Uhr am Abend waren wir endlich wieder zurück in unserem Hotel in Kathmandu. Auf jeden Fall war die Raftingtour für mich eines der schönsten Erlebnisse in diesem Urlaub.

Abbildung: Route von Darjeeling mit Bus nach Nepal, weiter zum Rafting Startpunkt, Karte erstellt aus OpenStreetMap-Daten, Lizenz: OpendataBase-Lizenz (ODbL)

Tag 24, Freitag 20.September 1991

Am heutigen Tag sind wir nur Bus gefahren bis nach Nargakot und haben dort ein Hotel gesucht. Dabei bin ich in Gedanken bei dem vorhergehenden Abend.

Am Abend kamen wir noch mit zwei Amerikanern ins Gespräch. Sie ist hier Ärztin, er baut ein Krankenhaus im Westen Nepals auf. Beide sind seit etwa anderthalb Jahren in Nepal und konnten uns viel berichten. Sie erzählten uns, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen hier ungefähr 40 Jahre beträgt. Jedes fünfte Kind unter 5 Jahren stirbt auf Grund der hygienischen Verhältnisse. Die verbreitetste Krankheit ist Tuberkulose, oft zu sehen ist Lepra. Lepra hat zwei Erscheinungsformen. In erstem Fall hat der erkrankte Mensch nicht genügend Abwehrstoffe und die Bazillen fressen sich von innen her in Gesicht, Wangen und Nase. Man kann 20 Jahre damit leben. Im zweitem Fall hat der erkrankte Mensch genügend körpereigene Abwehrstoffe und die Bazillen werden getötet. Die Abwehrstoffe sind aber gleichzeitig so stark, dass sie beim Abtöten der Bazillen auch die Nerven, z.B. der Finger, Hände, Arme, Zehen, Füße oder der Beine mit abtöten. Diese werden gefühllos und durch Unachtsamkeit verletzen sich die Menschen an diesen Gliedmaßen so sehr, dass es offene Wunden gibt und die infizierten Gliedmaßen amputiert werden müssen. Deshalb kann man auf den Straßen viele verstümmelte Menschen sehen. Sie erzählten uns auch, dass auch hier in Nepal die Frauen ebenso rechtlos sind wie in Indien. Sie steigen im Ansehen mit der Anzahl der geborenen männlichen Nachkommen. Mädchen werden als unnötige Esser bezeichnet und dementsprechend nicht gepflegt. Nur männliche Nachkommen zählen. So kommt es schon mal vor, dass der Mann seiner Frau verbietet, die Tochter zu füttern und der Säugling stirbt. Da aber jede Frau wenigstens 2 Söhne bekommen will, steigt die Zuwachsrate der Geburten stetig. Die Bevölkerungszahl bezogen auf die landwirtschaftlich nutzbare Fläche steigt und so verarmt das Land zusehends. Bei der Geburt geht die Frau in den Stall, sie gilt in dieser Zeit als unrein und so hilft ihr niemand bei der Geburt. Die Schwiegermutter steht in der Tür und gibt ihre Anweisungen. Die Mehrfrauenehe ist zulässig und wird auch öfters praktiziert. In Nepal gibt es ebenfalls wie in Indien ein Kastensystem, es ist aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie in Indien. In Nepal kann man billig leben, aber das Land lebt vom Himalaya-Tourismus, deshalb sind alle Unternehmungen, welche mit Trekking in Zusammenhang stehen, ziemlich teuer. Man kann viele Touren, welche die Touristenbüros für viel Geld anbieten, auch ohne Führer machen.

Morgen früh wollen wir den Sonnenaufgang anschauen, dazu müssen wir früh zu Bett gehen, um 5 Uhr in der Frühe müssen wir aufstehen.

Tag 25, Sonnabend 21.September 1991

Mit dem erhofften Sonnenaufgang war heute frü nicht allzuviel los. Die Sicht war miserabel, es war neblig und wolkenverhangen. So konnte ich nichts von dem so herrlich angekündigten Ereignis auf den Film bannen. So wurde aus dem ersehnten Naturschauspiel noch ein recht anstrengender Wandertag mit Tempelbesichtigung, Waten durch den Fluss und Jeepfahrt. Den Abend ließen wir wieder in einer Pizzeria ausklingen.

Tag 26, Sonntag 22.September 1991

Heute war nun der angekündigte Shopping-Tag da. Wir wollen das restliche Geld ausgeben. Dabei haben wir handeln gelernt und festgestellt, es kann richtig Spaß machen. Am Abend sind wir dann noch mit dem Fahrrad zum Durbar Marg gefahren. Auf diesem Platz präsentierte sich der nepalesische König zum Anlass eines Festes. König Birendra regiert Nepal in einer konstitutionellen Monarchie, aber seine Macht schwindet.

Tag 27, Montag 23.September 1991

Kaum kann ich es erwarten, dass endlich der Flug von Kathmandu nach Dhaka geht. Nach reichlich 4 Wochen ist die Sehnsucht nach zuhause groß. Schade nur, dass wir keine Zeit zum Trekking gehabt haben. Deshalb reist der Vorsatz mit heim, irgendwann wiederzukommen und dies nachzuholen, dann im Gebirge nur Trekken in Nepal, vier bis fünf Wochen müssten dann reichen. Als wir mit Biman Bangladesh Airlines in Dhaka landen, wurden wir als Transitreisende mit viel Aufwand in ein tollen Hotel gebracht und kostenlos bewirtet. Es waren noch etwa 2,5 Stunden Schlaf im Zeitplan, dann wurden wir geweckt und wieder ging es Richtung Flughafen zurück. Das wenige, was ich bei Nacht von Dhaka sehen konnte, erinnerte mich stark an Delhi. Dafür, dass Bangladesh eines der ärmsten Länder der Welt ist, gibt es hier 1991 tolle neue und glänzende Rikschas. Die bettelnden Kinder sind hier in Bangladesh ziemlich aufdringlich und aggressiv. Auf jeden Fall gibt sich die Fluggesellschaft sehr große Mühe und ich bin wirklich angenehm überrascht von Biman Bangladesh Airlines. Momentan sitze ich im Warteraum des Flughafens in Dhaka in Erwartung der Maschine nach Frankfurt.

Bild: Flug 1 von Frankfurt nach Calcutta; Flug 2 von Calcutta nach Hyderabad; Flug 3 von Trivandrum nach New Delhi; Flug 4 von New Delhi nach Darjeeling; Flug 5 von Kathmandu nach Dhaka; Flug 6 von Dhaka nach Frankfurt

Stationen der Reise:

Kalkutta – Hyderabad (Telangana) – Bangalore (Karnataka ) – Shravanabelagola (Karnataka) – Mysore – Mudumalai Tiger Reserve – Theppakadu Elephant Camp – Ooty – Coonoor (Tamil Nadu ) – Coimbatore – Alleppey (Kerala) – Cochin – Quilon – Trivandrum – Delhi – Agra – Darjeeling- Kathmandu – Trishuli River White Water Rafting Starting Point – Kathmandu – Nargakot – Kathmandu – Dhaka